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Meine Mutter Von Brigitte Richter Meine Mutter ist auch schon tot! 84 Jahre alt durfte sie werden. Sie war die Tochter von meiner Oma Hulda. Vieles hat sie von ihrer Mutter gelernt. Die Ordnung, die Hygiene und das Pflichtbewusstsein waren tief in ihr verwurzelt. Wie ihr Vater und ihre Mutter fütterte sie die Kühe im Stall, versorgte Lotte, das große Kaltblutpferd, gab den Schweinen, Hühnern und Schafen ihr Fressen. Sie machte das alles gern, weil sie es so von ihren Vorfahren gelernt bekam. Meine Mutter wusch unsere Wäsche und hielt auch mich und meine Schwester zu Fleiß und Ordnung an. Aber Zeit hatte sie sehr wenig für uns Mädchen. Die Oma nahm sich diese Zeit. Von ihr lernte ich das Kochen und den Haushalt zu managen. Meine Mutter hatte immer draußen herum zu tun. Mein Vater verrichtete die typischen Männerarbeiten. Alles ging Hand in Hand. Wenn meine Mutter im Kuhstall gearbeitet hat, dann zog sie immer Holzpantoffeln an. Mit den Hausschuhen schlüpfte sie in die dicken Holzpantinen. Ihre Alten sahen nicht mehr so gut aus und mein Vater dachte sich, ihr mal eine Freude zu machen. Er kaufte neue Holzpantinen, stellte sie vor die Stalltür und hoffte, dass sich unsere Mutter drüber freut. Hat sie auch! Aber, sie hat nicht damit gerechnet, dass diese Pantoffeln noch zusammen gebunden sind. Mit zwei Eimern in der Hand, die voll Magermilch für die Schweine waren, fiel sie mit dem Gesicht vorneweg in einen großen Kuhfladen. Sie konnte schimpfen, so was habt ihr noch nicht gehört. Alle Tiere in einem Zoo mussten her halten, damit sie ihrem Ärger Luft machen konnte. Dabei waren blöder Affe, Rinozerus, dummes Kamel noch die harmlosesten Bezeichnungen für meinen armen Vater. Meine Tante, also die ältere Tochter meiner Oma, wohnte auch im Dorf, zwei Häuser weiter oben in der Straße. Eines Tages kam sie weinend zu ihrer Mutter, also meiner Oma Hulda: "Mutter, stell dir mal vor, wir hatten den Maler im Haus. Die frisch gestrichenen Türen sind noch feucht von der Farbe. Meine Schwiegermutter hat die Haustür auf gelassen. Auch der Treppenaufgang zu den Schlafzimmern im ersten Stock wurde frisch gestrichen. Mein Mann hat die Kühe von der Weide geholt und wollte sie in den Stall treiben. Eine Kuh rannte in den Hausflur, stieg die Treppe hinauf, und entledigte sich ihres Darminhaltes an die frisch gestrichene Wand und den noch feuchten, gestrichenen Türen." Sprich: Sie hat alles voll geschissen, die ganze Wand… Es muss ein Chaos gewesen sein, denn Tante Reni heulte fürchterlich. Und wie bekommt man eine Kuh die Treppe wieder herunter? Rückwärts natürlich, denn vorwärts hätte sie Panik bekommen, und wer weiß, was dann noch passiert wäre. Meine Mutter saß bei dieser Schilderung auf dem Küchensofa und drehte immerzu den Kopf weg. Als Reni weinend gegangen war, lachte sie lauthals los. Heute lachen wir alle über diese Geschichte. Doch dann kam die LPG. Die Kühe der Bauern wurden in großen Ställen zusammen geführt. Die Arbeiten wurden aufgeteilt nach Tier- und Pflanzenproduktion. In den sechziger Jahren geschah das alles. Männer vom Kreisrat, also die Büromenschen, die den Sozialismus voran treiben sollten, kamen in die Dörfer und sollten die Bauern überzeugen, ihr Land und ihre Tiere der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Meiner Mutter gefiel das gar nicht. Wenn die Herren mit Schlips und Sakko kamen, ging sie ihnen mit der Mistgabel entgegen. Doch immer mehr Bauern gaben schweren Herzens ihre Tiere her. Sie wurden "überzeugt", was sich später als gar nicht so schlecht heraus stellte. Kein Bauer kannte es Urlaub zu machen. Immer war die Arbeit auf dem Grundstück, im Stall und in Wald und Flur das Wichtigste. Und plötzlich, da alles allen gehörte, konnte man im Sommer sogar mal an die Ostsee fahren…. Meine Eltern machten öfter Urlaub; und sie nahmen dann sogar mal meine Kinder mit. Eine Geschichte vergesse ich nicht: Es wurde in der LPG auch ab und zu Alkohol getrunken. Die Frauen waren zusammen, arbeiteten auf dem Feld, und irgendwann brachte eine aus ihrer Tasche eine Flasche Schnaps hervor. Jede der Genossenschafts- bäuerinnen nahm einen kräftigen Schluck, bis die Flasche leer war. Meine Mutter kam nach der Arbeit beschwipst nach Hause. Sie wollte einen Apfelkuchen backen. Der Hefeteig wurde auf dem Blech ausgerollt, die Äpfel drauf gelegt und sie machte die Götterspeise drauf. Anschließend schob sie den Kuchen in den Backofen. Die Götterspeise schmolz in der Hitze, verbrannte, und es stank fürchterlich. Man macht den Guß nämlich erst nach dem backen drauf, wenn der Kuchen kalt ist. Meine Oma Hulda schimpfte wie ein Rohrspatz: "Die besoffne Kuh hat den ganzen Kuchen versaut!" In unserer Küche hatte Oma eine kleine Ecke eingerichtet, wo eine Glucke mit ihren Küken in der warmen Stube bleiben konnte. Die Küken krochen durch die Gitterstäbe des Käfigs, in dem die Glucke saß. Sie wurden von der Oma gefüttert. In der Wohnstube hatten wir einen großen Kachelofen. Meine Schwester war der Meinung, dass man den Küken etwas Gutes tun könnte, indem man sie in die noch warme Röhre des Kachelofens setzt. In einem Schuhkarton sollten sie es mollig warm haben, im Ofen. Wir machten das so. Leider vergaßen wir die kleinen Tierchen und Oma machte im Kachelofen Feuer an. In der Röhre wurde es so heiß, dass kein einziges Küken die gut gemeinte Wärme überlebt hat. Das war nicht lustig für uns, denn unsere Mutter war damals sehr wütend auf uns. Aber die Nachbarskinder, es waren zu der Zeit 7 Geschwister, trieben es noch grausamer. Ihre Mutter hatte kleine Gänschen in der Küche, in einer Kiste. Da hatten zwei ihrer Jungs, sie waren vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, die Idee, dass jungen Gänse vielleicht das Karussell fahren Spaß machen könnte. Sie steckten zwei oder drei Gänschen in die Waschmaschine und schalteten diese an. Die jungen Tiere habe es nicht überlebt. Die Jungs beinahe auch nicht, denn sie bekamen mächtig Hiebe von der wütenden Mutter. Und als am Abend der Vater von der Arbeit kam, hörten wir Kinder in unserem Hof, wie es in der Nachbarschaft noch einmal tüchtig Ohrfeigen setzte. Meine Oma hat uns dann immer gesagt: "Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz!"