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Die alte Frau am Fenster

Von Brigitte Richter


In Gedanken versunken steht die alte Frau am Fenster. Wo sind nur die Jahre geblieben?
Oft denkt sie das. Sie hadert mit ihrem Schicksal. Fünf Kindern habe ich das Leben geschenkt.
Heute, an Weihnachten, bin ich alleine, wie so viele Jahre zuvor… Die Tränen rollen ihr über
die Wangen und sie betrachtet ihr Spiegelbild im Fenster. Schneeweiß und schütter ist das Haar,
faltig das liebe Gesicht. Draußen ist es dunkel. Wenige Flocken treibt ein eisiger Wind die Straße
entlang. Es scheint, als tanzten sie unterm Licht der Straßenlaternen ihren fröhlichen Winterreigen.

Sie liebt es, dieses Bild der Stille und des Nachdenkens, obwohl sie sehr in sich gekehrt ihren
Gedanken und Gefühlen freien Lauf lässt.Der Große, seinem Vater sehr ähnlich, manchmal aufbrausend
und stur, hat studiert. Er ist ein erfolgreicher Anwalt geworden. Er wohnt an der Küste; hat an
Weihnachten keine Zeit, zu ihr zu kommen. In den wenigen Telefonaten im Jahr ist sein Lieblingswort
immer "Stress!" Gerda, die Tochter, die ein Jahr später zur Welt kam, hat ihr neues Zuhause in England
gefunden, als Deutschlehrein arbeitete sie an einer Eliteschule. Gerdalein, wie die Mutti sie
früher nannte, ist schon Rentnerin, hat aber ein gutes Auskommen, wie sie immer wieder in den
wenigen Briefen versichert, die sie an ihre Mutter schreibt.
Und Klaus, ihr Sorgenkind von Anfang an, hatte diese schlimme Kinderkrankheit in den schlechten Jahren
nach dem Krieg leider nicht überlebt. Er wäre heute bestimmt bei mir, denkt sie.

Doch auch die Zwillinge, Bärbel und Gitta, die hübschen Mädels, waren ständig irgendwo in der Welt
unterwegs. Tänzerinnen sind sie geworden und Gott sei Dank unzertrennlich geblieben. Sie leiten nun,
da sie auch schon älter sind, eine renommierte Tanzschule.
Stolz kann sie sein, auf alle Vier, die ihr geblieben sind. Geschenke kauft sie schon lange nicht mehr
für ihre Kinder. Sie weiß ja auch kaum etwas von ihnen. Und von dem bisschen Rente kann sie auch keine
großen Ausgaben machen. Trotzdem hat sie, wie in jedem Jahr an Weihnachten, einen kleinen Tisch
bereitgestellt, in der Hoffnung, dass eines ihrer Kinder plötzlich vor der Tür stehen sollte.
Für den Großen hat sie die Lieblingsplätzchen gebacken, mit Schokoladenguss und bunten Streuseln drauf.
Gerda würde sich sehr über ein paar selbst gestrickte Schafwollstrümpfe freuen. Sie fährt doch immer
in die Berge, zum Schi laufen. Und die Kleinen, die bekämen jede einen Schokoladenweihnachtsmann,
um den sie sich früher immer gestritten haben. Mitten in all den armseligen Gaben steht das Foto
von Klaus. Und nach Weihnachten räumt sie alles wieder weg.

Die alte Frau bemerkt, wie ein Auto vor ihrem Haus hält und denkt sich: Die Nachbarin bekommt sicherlich
Besuch. Es ist ja Weihnachten; da klingelt es an ihrer Wohnungstür. Vier Menschen stehen davor, die sie
zuerst gar nicht erkennt. Ihre Augen waren in den Jahren von den Tränen getrübt. Aber die Stimmen,
die würde sie aus Tausenden heraus erkennen. Ihre Kinder waren gekommen. Alle Vier!
Jetzt war für die alte Frau Weihnachten!